BMF-Schreiben zur Frage der Vorsteuerberechtigung nach § 15a UStG bei Aufgabe nur einer von mehreren Tätigkeiten

In seinem Schreiben vom 1. September 2022 - III C 2 – S 7316/19/10002 :001 zur Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG bei Aufgabe nur einer von mehreren Tätigkeiten bezieht sich das BMF auf die Veröffentlichung des EuGH-Urteils vom 9. Juli 2020 - C-374/19 „Finanzamt Bad Neuenahr-Ahrweiler“ und des BFH-Urteils vom 27. Oktober 2020 – V R 20/20 (V R 61/17) und nimmt zur Aufgabe nur einer von mehreren Tätigkeiten Stellung.

Die Organträgerin einer GmbH, welche eine umsatzsteuerbefreite Tätigkeit in Form eines Alten- und Pflegeheimes betreibt, errichtete 2003 in einem Anbau eine Cafeteria, welche sowohl für Besucher als auch für Heimbewohner zugänglich war. Die Organträgerin ging dabei davon aus, dass die Cafeteria ausschließlich für steuerpflichtige Zwecke genutzt werden wird, während das Finanzamt es für unwahrscheinlich hielt, dass keine Heimbewohner die Cafeteria nutzen. Es erfolgte eine Einigung darüber, dass zu 10 % eine steuerfreie Nutzung stattfindet und somit fand eine Berichtigung nach § 15a UStG für die Jahre ab 2003 statt.

Eine Außenprüfung des FA ergab, dass die GmbH in den Streitjahren 2009 – 2012 in der Cafeteria keine Warenumsätze ausgeführt habe und somit überhaupt keine Nutzung für Umsätze mit Recht auf Vorsteuerabzug vorlagen. Das FA verlangte eine weitergehende Berichtigung nach § 15a UStG. Dagegen klagte der Organträger der GmbH durch alle Instanzen, bis schließlich der BFH eine Vorabentscheidung des EuGHs einforderte.

Tenor des EuGH

Der EuGH hat im Urteil C-374/19 vom 9. Juli 2020 bestätigt, dass das Unionsrecht einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, nach der ein Steuerpflichtiger, der das Recht erworben hat, die Vorsteuer für die Errichtung von Räumlichkeiten anteilig abzuziehen, zur Berichtigung des ursprünglichen Vorsteuerabzugs verpflichtet ist, wenn er jeglichen besteuerten Umsatz in den Räumlichkeiten eingestellt hat, sofern er weiterhin steuerbefreite Umsätze in diesen Räumlichkeiten getätigt und diese somit nunmehr ausschließlich für diese Umsätze genutzt hat. Somit kann bei einer ursprünglichen Nutzung der Räumlichkeiten einer Cafeteria sowohl für besteuerte Tätigkeiten als auch für steuerbefreite Tätigkeiten der Wegfall der besteuerten Tätigkeit bei ausschließlicher Nutzung der Räumlichkeiten für die steuerbefreite Tätigkeit ein Anwendungsfall des § 15a UStG sein.

Tenor des BFH Folgeurteils

Der BFH folgte in seinem Urteil V R 20/20 (V R 61/17) im Grundsatz dem EuGH. Der BFH sah jedoch aufgrund der Umstände des Einzelfalls die Möglichkeit, dass ausnahmsweise keine Berichtigung des Vorsteuerabzuges nach § 15a UStG durchzuführen ist. Im zu entscheidenden Fall war fraglich, ob eine Änderung der Verhältnisse vorlag. Dies hängt von der Nutzung der Cafeteria vor den Streitjahren ab. War die Cafeteria vor den Streitjahren ständig verschlossen und nur für einzelne Veranstaltungen im Zusammenhang mit steuerfreien Umsätzen geöffnet worden, würde keine Nutzungsänderung vorliegen und die Cafeteria wäre eine Vorsteuerabzug berechtigende erfolglose Investition. Sollte jedoch die Cafeteria offen gestanden haben und damit potenziell genutzt werden können, läge im Zustand der Streitjahre eine Änderung der Verhältnisse i. S. v. § 15a UStG vor. Der BFH hat die Sache diesbezüglich zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das zuständige FG verwiesen.

Folgen aus dem BMF-Schreiben

Mit dem Schreiben vom 1. September 2022 reagierte die Finanzverwaltung auf die Veröffentlichung der beiden Urteile. Das BMF passte R 15a.2 Abs. 8 des Umsatzsteuererlasses mit sofortiger Wirkung an. Die Folge ist, dass bei einer ursprünglich gemischten Verwendung im Sinne des § 15 Abs. 4 UStG der Wegfall einer Verwendung und Beibehaltung der anderen, grundsätzlich von ei-
ner Änderung der Verhältnisse i. S. v. § 15a UStG auszugehen sei. Es ist jedoch im Einzelfall zu prüfen, ob eine Nichtnutzung (z.B. Leerstand) ohne Verwendungsabsicht vorliegt, da diese keine Änderung der Verhältnisse i. S. v. § 15a UStG nach sich ziehe. In der Praxis ist daher im Einzelfall zu überlegen, ob es nicht Besser ist ein Wirtschaftsgut nicht zu verwenden, statt es falsch zu verwenden um so eine Vorsteuerberichtung nach § 15a UStG zu vermeiden.

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