Beschäftigungssicherungszuschuss: Kommunale Eigengesellschaften sind nicht mit öffentlichen Arbeitgebern gleichzusetzen und „verdienen“ sich daher staatliche Unterstützungsleistungen

Ausgangslage

Die Klägerin, eine kommunale Krankenhaus-Eigengesellschaft, beantragte bei dem zuständigen Integrationsamt die Weitergewährung einer Geldleistung zur Abgeltung außergewöhnlicher Belastungen im Zusammenhang mit der Beschäftigung einer einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellten Person (sog. Beschäftigungssicherungszuschuss).

Den Antrag lehnte die Beklagte ab. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass öffentliche Arbeitgeber im Sinne des § 154 Abs. 2 SGB IX bei der Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen gemäß § 164 Abs. 3 Satz 1 SGB IX gegenüber privaten Arbeitgebern eine besondere Vorbildfunktion hätten. Als öffentliche Arbeitgeber würden gemäß den ermessensleitenden Richtlinien zu § 27 SchwbAV auch Privatunternehmen gelten, die zu mindestens 50 % in einer öffentlichen Trägerschaft stünden. Da die Klägerin zu 100 % in öffentlicher Trägerschaft stehe, sei die weitere Förderung daher nicht möglich.

Gegen diese Entscheidung ließ das betroffene Krankenhaus, von BDO Legal vertreten, eine Klage bei dem zuständigen Verwaltungsgericht einreichen.

Mit Erfolg:

Anspruch auf Ausgleichsabgabe

Das klagende Krankenhaus habe einen Anspruch auf Gewährung einer Förderung gemäß § 185 Abs. 3 Nr. 2 lit. e SGB IX i. V. m. § 27 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung (SchwbAV).

Nach dieser Regelung kann das Integrationsamt im Rahmen seiner Zuständigkeit für die begleitende Hilfe im Arbeitsleben aus den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln auch Geldleistungen erbringen, insbesondere in Form von Zuschüssen an Arbeitgeber für außergewöhnliche Belastungen, die mit der Beschäftigung eines schwerbehinderten Menschen im Sinne des § 155 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a bis d SGB IX verbunden sind, vor allem, wenn ohne diese Leistungen das Beschäftigungsverhältnis gefährdet würde. Außergewöhnliche Belastungen sind gemäß § 27 Abs. 2 SchwbAV überdurchschnittlich hohe finanzielle Aufwendungen oder sonstige Belastungen, die einem Arbeitgeber bei der Beschäftigung eines schwerbehinderten Menschen auch nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten entstehen und für die die Kosten zu tragen für den Arbeitgeber nach Art oder Höhe unzumutbar ist.

Zu den außergewöhnlichen Belastungen können u. a. auch die anteiligen Lohnkosten für solche Personen gehören, deren Arbeitsleistung aus behinderungsbedingten Gründen erheblich hinter dem Durchschnitt vergleichbarer Arbeitnehmer im Betrieb zurückbleibt.

Fehlerhafte Ermessensausübung

In Streit stand die Frage, ob das Integrationsamt das ihm zustehende Ermessen in beanstandungsfreier Weise ausgeübt hatte. Grundlage der Ermessenentscheidung waren die eigenen ermessensleitenden Richtlinien.

Mit Erfolg konnte dargelegt werden, dass die Anwendung der Richtlinien durch das Integrationsamt einen Ermessensfehlgebrauch nach sich ziehe. Von einem Ermessensfehlgebrauch ist allgemein dann auszugehen, wenn sachfremde Gesichtspunkte eingestellt werden bzw. oder ein Belang willkürlich falsch gewichtet worden ist, ferner dann, wenn bei Erlass eines Verwaltungsakts die Behörde von in Wahrheit nicht vorliegenden Tatsachen oder rechtlichen Voraussetzungen ausgeht.

Dies war vorliegend der Fall.

Zu Unrecht stellte das Integrationsamt darauf ab, dass Privatunternehmen, die zu mindestens 50 % in einer öffentlichen Trägerschaft stünden, mit öffentlichen Arbeitgebern gleichzusetzen seien. Kommunale Eigengesellschaften in mehrheitlicher öffentlicher Trägerschaft verfügten gerade nicht über eine im Vergleich zu anderen Privatunternehmen weitaus höhere Finanzkraft, so dass diese bei der Beschäftigung von Arbeitnehmer*innen grundsätzlich auf Unterstützungsleistungen angewiesen seien.

Es sei nicht zwingend, dass eine öffentlich-rechtliche Gesellschafterin eines privatrechtlich organisierten Unternehmens durch gesonderte finanzielle Zuwendungen an das Unternehmen die Beschäftigung einzelner schwerbehinderter Arbeitnehmer*innen ermöglichen, erleichtern oder sichern würde und das Unternehmen daher an der Finanzkraft seiner Gesellschafterin grundsätzlich partizipiert (etwa in Form einer Gewährträgerschaft).

Insbesondere handele es sich bei Privatunternehmen wie der als Gesellschaft mit beschränkter Haftung organisierten Klägerin und ihrer öffentlichen Alleingesellschafterin um eine in rechtlicher Hinsicht eigenständige juristische Person, die in ihrem Bestand und auch in ihrem Haushalt bzw. in ihrer Kapitalausstattung voneinander unabhängig sind. Als Ausprägung dessen sei die Klägerin daher auch insolvenzfähig.

Gegen eine rechtlich verbindliche Einstandspflicht öffentlicher Träger spreche schließlich auch das haushaltsrechtliche Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, welches einer laufenden Finanzierung von Kapitalgesellschaften nach Einzahlung des Stammkapitals entgegenstehe. Zwar mag es Einzelfälle geben, in denen öffentliche Träger in Finanzierungsschwierigkeiten geratene öffentliche Unternehmen mit weiteren finanziellen Mitteln ausstatten, um eine Insolvenz abzuwenden. Dies stelle indes keinen tatsächlichen oder rechtlichen Automatismus dar, welchen das Integrationsamt seiner Ermessensausübung zugrunde legen dürfe.

Nach alledem war der Bescheid des Integrationsamtes aufzuheben und dieses zu einer Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verpflichten.

Was ist zu tun?

Kommunale Eigengesellschaften, die eine (Weiter-)Beantragung von Beschäftigungszuschüssen nach § 27 SchwbAV in Erwägung ziehen, sollten die zugrunde liegenden ermessenslenkenden Richtlinien der Zuwendungsgeber sorgfältig überprüfen. Unter Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung und Willkürfreiheit müssen Ausnahmen einer Förderberechtigung auf sachgerechten Erwägungen beruhen und von zutreffenden rechtlichen Voraussetzungen ausgehen.

Wir beraten bundeweit kommunale Unternehmen und Gebietskörperschaften sowie kommunale Organisationen in allen kommunal-, fördermittel- und vergaberechtlichen Fragestellungen und vertreten diese vor den Verwaltungs- und Zivilgerichten oder Vergabenachprüfungsinstanzen.

Sie haben Fragen zu unserer Beratung? Wir sind gerne für Sie da.

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