EuGH Urteile zur umsatzsteuerlichen Organschaft

Nun wurde auch auf unionsrechtlicher Ebene verdeutlicht, dass das deutsche Recht dringend eine Anpassung benötigt.

Eine umsatzsteuerliche Organschaft ist dadurch geprägt, dass sie eine Gruppe von rechtlich unabhängigen Rechtsträgern ist, welche jedoch durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind.

Der EuGH hat im Rahmen seiner Entscheidungen nun einige ausschlaggebende Leitlinien aufgestellt.

Im Rahmen seiner Entscheidungen befasste sich der EuGH insbesondere mit dem Thema des Organträgers als Steuerpflichtiger. Genauer gesagt setzte sich der EuGH mit der Frage auseinander, ob es mit dem Unionsrecht vereinbar ist, den Organträger als Steuerpflichtigen des Organkreises zu bestimmen, oder ob dies die Gruppe (der Organkreis) selbst sei. Zur Erleichterung vieler sah der EuGH das deutsche Recht insoweit nicht als unionsrechtswidrig an, da er ausschließt, dass die Mitglieder nach außen selbstständig auftreten und demnach die Mitglieder des Organkreises als einen Steuerpflichtigen angesehen werden. Der EuGH stellte dies als „Verschmelzung zu einem Steuerpflichtigen“ dar. Begründung hierfür sei, dass die Organschaft zu einer Verwaltungsvereinfachung führen solle und damit ein einziger Ansprechpartner gegenüber der Finanzverwaltung sowie als Vertreter der Mehrwertsteuergruppe ausreichend sei. Trotzdem müsse eine Absicherung für die Finanzbehörden vorliegen. Diese richtet sich - nach deutschem Recht - nach § 73 AO und bestimmt die Haftung der Organgesellschaften für die Steuern der anderen Mitglieder der Organschaft einschließlich des Organträgers. Ein weiteres prägnantes Kriterium dafür, dass der Organträger als Steuerpflichtiger der Organschaft auf unionsrechtlicher Ebene angesehen werden kann, ist, dass dieser seinen Willen innerhalb der Organschaft durchsetzen kann und dass keine Gefahr von Steuerverlusten vorliegt.

Des Weiteren beschäftigte sich der EuGH mit der finanziellen Eingliederung und dem Erfordernis der doppelten Mehrheit. Das Merkmal der Willensdurchsetzung des Organträgers gegenüber den anderen Mitgliedern einer Organschaft setzt im deutschen Recht zunächst voraus, dass man über die Mehrheit sowohl an Anteilen an der Organgesellschaft als auch an Stimmrechten verfügt, sog. doppelte Mehrheit. Der EuGH entschied, dass das Merkmal der Willensdurchsetzung nicht restriktiv auszulegen ist, weshalb keine Erforderlichkeit der Mehrheitsbeteiligung und der Stimmmehrheit bestehe.

Eine weitere Frage der beiden Urteile thematisiert die Selbstständigkeit der Organgesellschaft trotz der finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung und Teilhabe an einer Organschaft. Fraglich sei bei der Selbstständigkeit der Mitglieder der Mehrwertsteuergruppe nämlich, ob Leistungen zwischen einem Mitglied der Mehrwertsteuergruppe und den anderen Mitgliedern dieser Gruppe vorlägen. Der EuGH antwortete hierauf, dass zu prüfen sei, ob das Mitglied einer selbstständigen wirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht und dabei ein wirtschaftliches Risiko trägt. Durch die Haftung nach § 73 AO würden die Organgesellschaften selbst das wirtschaftliche Risiko tragen. Nichtsdestotrotz seien Mitglieder nicht aufgrund ihrer bloßen Zugehörigkeit zu einer Mehrwertsteuergruppe als „nicht-selbstständig“ einzustufen.

Zudem behandelte der EuGH auch die Thematik der unentgeltlichen Leistungen, die nur steuerbar bei unternehmensfremden Tätigkeiten, nicht jedoch bei unentgeltlichen Leistungen im hoheitlichen Bereich sind.

Zusammenfassend lässt sich den Urteilen entnehmen, dass das nationale Recht den oben ausgeführten Leitlinien des EuGHs angepasst werden muss. Auch wenn der EuGH grds. bestätigt, dass der Organträger als der Steuerpflichtige der Mehrwertsteuergruppe angesehen werden kann, ist die bislang geforderte doppelte Mehrheit nicht mit dem Unionsrecht vereinbar und daher abzuschaffen.

Unklarheit herrscht weiterhin bezüglich des Themas der Innenumsätze aufgrund der Ausführungen zur Selbstständigkeit der Mitglieder einer Mehrwertsteuergruppe, insbesondere für Organkreise, die nicht vorsteuerberechtigt sind. Es bleibt abzuwarten, wie sich der BFH und die Finanzverwaltung hierzu positionieren werden. Eine baldige Klärung wäre in jedem Fall wünschenswert.