Es entschied zum einen, dass der gleichzeitige Ansatz einer Abschreibung auf Wiederbeschaffungszeitwerte sowie einer kalkulatorischen Verzinsung des gebundenen Kapitals auf der Basis eines Nominalzinssatzes kommunalrechtlich unzulässig sei. Zum anderen entschied das OVG NRW, dass es die Berechnung des Durchschnittszinssatzes für die kalkulatorische Verzinsung des gebundenen Kapitals nicht mehr über einen Zeitraum von 50 Jahren akzeptiert, sondern nur noch über einen Zeitraum von 10 Jahren und auch ohne einen Puffer-Zuschlag für Fremdkredite in Höhe von 0,5 %.
Gleichzeitiger Ansatz von Abschreibungen auf Wiederbeschaffungszeitwerte und von kalkulatorischen Zinsen
Das OVG NRW begründete die Unzulässigkeit des gleichzeitigen Ansatzes von Abschreibungen auf Wiederbeschaffungszeitwerte und von kalkulatorischen Zinsen damit, dass hierbei ein doppelter Inflationsausgleich erfolge, der zur stetigen Erfüllung der Aufgaben in der Abwasserbeseitigung mit dauerhafter Betriebsfähigkeit nach §§ 75 (1), S. 1, 77 (2) Nr. 1 GO NRW nicht notwendig sei. Darüber hinausgehende Gewinne seien unzulässig.
Bei den Abschreibungen auf Wiederbeschaffungszeitwerte findet ein Inflationsausgleich im Zusammenhang mit der Hochindexierung des Anlagevermögens statt. Bei den kalkulatorischen Zinsen ist ebenfalls ein Inflationsausgleich hinsichtlich der Emissionsrenditen von festverzinslichen inländischen Anleihen der öffentlichen Hand enthalten, weil die Käufer der Anleihen wenigstens die erwartete Inflation innerhalb der Laufzeit der Anleihe ausgeglichen haben möchten.
Damit Abschreibungen auf Wiederbeschaffungszeitwerte und kalkulatorische Zinsen gleichzeitig angesetzt werden können, muss der doppelte Inflationsausgleich herausgerechnet werden. Für das Kalkulationsjahr 2023 ergibt sich ein durchschnittlicher Zinssatz für die Verzinsung des Eigenkapitals in Höhe von 0,46 % (s. u.). Dies ist ein Nominalzinssatz, bei dem die erwartete Inflation noch herausgerechnet werden muss. So läge der um die Inflation bereinigte Zinssatz bei 0 % oder wäre sogar negativ. Auch in den folgenden Jahren ist keine nennenswerte Steigerung zu erwarten. Trotz Leitzinserhöhung sind weiterhin sehr niedrige oder negative Emissionsrenditen festverzinslicher inländischer Anleihen der öffentlichen Hand zu erwarten. Im Hinblick auf eine rechtssichere Kalkulation ist die Frage des Ansatzes durchaus berechtigt.
Ein gleichzeitiger Ansatz von Abschreibungen auf Wiederbeschaffungszeitwerte und die tatsächlich an die Bank gezahlten Zinsen dürfte nach dem Urteil des OVG NRW weiterhin möglich sein, wenn die Fremdkapitalzinsen dem Anlagevermögen der gebührenrechnenden Einheit zugeordnet werden können. Dies lässt sich damit begründen, dass das Nicht-Ansetzen der tatsächlich gezahlten Zinsen den kommunalen Haushalt belasten würde und dementsprechend nicht dem Kostendeckungsprinzip entspräche (§ 6 (1) KAG NRW).
Kalkulatorische Verzinsung
In der Urteilsbegründung stellt das OVG NRW zwei Möglichkeiten vor, den Zinssatz für die kalkulatorische Verzinsung zu bestimmen.
Bei der einen Möglichkeit kann ein gewichteter Mischzinssatz für das in der gebührenrechnenden Einheit eingesetzte Eigenkapital und Fremdkapital bezogen auf die Finanzierung des Anlagevermögens ermittelt werden.
Bei der anderen Möglichkeit werden die Zinssätze für das eingesetzt Eigenkapital und Fremdkapital getrennt ermittelt. Hierbei ist aber zu beachten, dass die Verzinsung des Eigenkapitals auf Basis des 10-jährigen Durchschnitts der Emissionsrenditen von festverzinslichen inländischen Anleihen der öffentlichen Hand zu erfolgen hat.
Unabhängig von der Ermittlungsmethode bleibt festzuhalten, dass sich der kalkulatorische Zinssatz ab dem Kalkulationsjahr 2023 im Vergleich zu den Vorjahren deutlich verringern wird. Ergab die Berechnung des Zinssatzes für die Verzinsung desEigenkapitals als Durchschnitt der letzten 50 Jahre – beginnend mit dem Vorvorjahr der Kalkulation – noch einen Zinssatz von 5,078 %, liegt der Zinssatz über den Zeitraum der letzten 10 Jahre nur noch bei 0,46 %.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Urteil vom OVG NRW vom 17.05.2022 in diversen Punkten nicht eindeutig ist, sodass abzuwarten bleibt, wie sich die geänderte Rechtsprechung entwickeln wird.
Bei Fragen zu Gebührenkalkulationen und zur weiteren Entwicklung nach dem Urteil können Sie gerne auf die BDO Concunia zukommen.