Vorsteuerabzug bei Erschließung eines Gewerbegebiets durch eine kommunale GmbH

Vorsteuerabzug bei Erschließung eines Gewerbegebiets durch eine kommunale GmbH

Die Frage des Vorsteuerabzugs aus Erschließungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Entwicklung von Gewerbegebieten ist in der Praxis nach wie vor relevant.

Der 15. Senat des Finanzgerichts Münster hat mit Urteil vom 29.08.2023 (Az. 15 K 871/22) nun entschieden, dass eine kommunale GmbH unter bestimmten Voraussetzungen Vorsteuer aus einer Gewerbegebietserschließung ziehen kann. 

Die Klägerin, eine GmbH, an der zu 85 % eine Stadt und zu 15 % eine Bank beteiligt sind, klagte gegen die Verwehrung des Vorsteuerabzugs für die Jahre 2014-2016 vor dem Finanzgericht Münster. 

Die Aufgabe der kommunalen GmbH lag darin, im Stadtgebiet neue Gewerbegebiete zu erschließen und deren Baureife herzustellen. Die entsprechenden Grundstücke brachte die Stadt unter der Bedingung in die GmbH ein, dass diese als Gewerbeflächen erschlossen und vermarktet werden. Zu diesem Zweck schloss die Stadt im Jahr 2010 einen städtebaulichen Vertrag nach § 11 Abs. 1, § 124 Baugesetzbuch mit der Klägerin ab. Im Anschluss an die erfolgte Erschließung veräußerte die GmbH die Grundstücke an verschiedene Unternehmer und optierte zur Umsatzsteuerpflicht. 

Das Finanzamt versagte der GmbH jedoch einen Vorsteuerabzug für die hergestellten Erschließungsanlagen. In der Begründung führte das Finanzamt aus, die Anlagen (vor allem Straßen und Entwässerungsanlagen) seien durch die öffentliche Widmung unentgeltlich an die Stadt übertragen worden. Ein ursächlicher wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der Erschließung und den Grundstücksverkäufen bestehe nicht, da die Stadt die Grundstücke auch selbst hätte erschließen und anschließend veräußern können, ohne einen Vorsteuerabzug zu bekommen. Dies wertete das Finanzamt als Wettbewerbsverzerrung. 

Die Klägerin wandte sich gegen die Ausführung des Finanzamtes und argumentierte, dass sie die vertragsgegenständlichen Erschließungsanlagen so herstellen musste, dass sie den Anforderungen der öffentlich-rechtlichen Bestimmungen, u. a. des Straßen- und Wegegesetzes NRW, entsprach. Damit sei ein Zusammenhang zwischen der Herstellung der Erschließungsanlagen und der steuerpflichtigen Grundstücksveräußerung gegeben, da eine Veräußerung ohne die vorherige Erschließung nicht möglich gewesen wäre. 
Das Finanzgericht Münster hat der Klage zugestimmt und entschieden, dass die Klägerin berechtigt ist, Vorsteuer aus den Kosten der Erschließungsanlagen zu ziehen. Die Durchführung der Erschließung sei als Gegenleistung für die Übertragung der Grundstücke im Rahmen eines tauschähnlichen Umsatzes erbracht worden und nicht, wie vom Finanzamt dargestellt, unentgeltlich. Die Klägerin hat sich verpflichtet, die Erschließung des Baugebiets als vertragliche Auflage durchzuführen. Es bestand somit ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Verpflichtung zur Erschließung und der Grundstücksübertragung durch die Stadt. Der Senat ließ jedoch offen, in welcher Höhe der tauschähnliche Umsatz auf Seiten der Klägerin Umsatzsteuer ausgelöst hat, da die Grundstücksübertragung bereits 2010 und damit außerhalb der Streitjahre erfolgt sei. 

Der Vorsteuerabzug wäre laut FG größtenteils auch dann zu gewähren, wenn die Erschließung nicht in unmittelbarem Zusammenhang zu der Übertragung der Grundstücke gestanden hätte. Auch in diesem Fall würde ein Großteil der Kosten der GmbH zu den allgemeinen Aufwendungen der Klägerin gehören und wäre als allgemeines Kostenelement ihrer Ausgangsumsätze gem. § 15 Abs. S. 1 Nr. 1 S. 1 UStG abziehbar. 
Die Überlegung des Finanzamtes, dass die Stadt die Erschließung auch selbst hätte durchführen können, wies das FG als irrelevant zurück, da nur die konkrete wirtschaftliche Tätigkeit der Klägerin zu berücksichtigen sei. Die Klägerin war per Vertrag zur Erschließung und zur Vermarktung der Flächen verpflichtet. Für diese konkrete wirtschaftliche Verpflichtung sei die vorherige Erschließung der Grundstücke unerlässlich gewesen. 

Das Finanzgericht Münster hat eine Revision beim BFH zugelassen. Ein Aktenzeichen ist noch nicht anhängig.